Sprachpannen
Sprachliche Ausrutscher: bierisch ernst gemeint
Wie unser Gehirn arbeitet, zeigt sich mitunter erst dann, wenn etwas daneben geht. So haben Neurowissenschaftler, die sich der Versprecherforschung widmen, die Ursachen verbaler Ausrutscher herausgefunden. Sie beobachteten, dass die Sprachproduktion unseres Gehirns oftmals Tücken zeigt. Etwa alle zehn Minuten verspricht sich im Durchschnitt ein Mensch, was häufig zu heftigen Lachsalven führt. „Lieber Herr Kotz ... Koch“, Dieser berühmte Ausrutscher von Angela Merkel macht oft die Runde. Hier haben sich nicht die geheimen Gedanken der Sprecherin offenbart, vielmehr öffnen verbale Missgeschicke einen Blick auf die Art und Weise, wie unsere Sprache erzeugt wird.
Verbale Ausrutscher kennt jeder von Politikern, Nachrichtensprechern oder dem eigenen Umfeld. Sie sorgen bei Zuhörern oftmals für Belustigung und kursieren in Gesprächsrunden dann gerne als Freudsche Versprecher. Unbewusste Vorgänge kämen beispielsweise zum „Vorschwein“, eine Freundin wünscht sich eine „Verhängnisverhütung“, ein Trinkgenosse meint es „bierisch ernst“. Dass diese sprachlichen Pannen einen Einblick in tief verborgene Wünsche geben, ist ein Mythos. Vielmehr ist der Sprachprozess höchst komplex. In Bruchteilen einer Sekunde greift das Gehirn auf tausende Wörter zurück, viele liegen im mentalen Wörterbuch dicht beieinander, sodass der Zugriff auch mal schief gehen kann.
Aus dem schlanken „Waschbrettbauch“ wird der mollige „Waschbärbauch“, man genießt „Glühwurst und Bockwein“ und meint: „Männer können immer noch trinken, wenn sie etwas gefahren haben“. Aus Stoibers „gestammelten“ Werken: „... dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen, in die gludernde Lot, in die gludernde Flut, dass wir das schaffen können. Und deswegen in die lodernde Flut, wenn ich es sagen darf.“
Das Gehirn greift bei der Spracherzeugung auf ein mentales Lexikon zurück, das im Langzeitgedächtnis sitzt und etwa fünfzig- bis einhunderttausend Einträge aufweist. Wenn im Arbeitsspeicher nun zwei Begriffe liegen, die in Bruchteilen einer Sekunde aufgerufen werden, kann es rasch zu einer Verwechselung kommen. Wir planen eine Äußerung, vertauschen aber nahe nebeneinanderliegende Wörter. Berühmt ist der Ausrutscher von Edmund Stoiber, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Bayern: „Ich hab's mir auch angewöhnt, dass ich jeden Tag in der Früh‘ in den Garten schaue und vielleicht eine Blume hinrichte oder aufrichte.“ Der Salzburger Psychoanalytiker Bodo Kirchner kommentiert sprachliche Fehltritte so: „Das ist so, als ob man sich in der Tür irrt.“
Hätten wir selbst keine Fehler, machte es uns nicht so viel Vergnügen, bei anderen solche zu bemerken.
Helen Leuninger, Professorin am Institut für Kognitive Linguistik an der Universität von Frankfurt, hat weit über siebentausend Versprecher in einer Versprecherdatenbank gesammelt. Die Sprachwissenschaftlerin empfiehlt: „Man sollte jemanden, der sich versprochen hat, nicht korrigieren. Das sorgt nur für Irritationen.“ Die meisten Ausrutscher korrigiert der Sprecher unmittelbar danach selbst.
Ein Trost für alle, die sich gerne mal verbale Pannen leisten: Je umfangreicher ein Wortschatz ist, desto größer die Gefahr sich zu versprechen. Na, dann mal ran an die Gespräche!
Füllen Sie sich wie zu Hause.
Sprachpannen in Politik und Sport:
„Wenn ich hier nach ihrer Tanze pfeife...“ - „Die Bürger kann man am besten entlassen, äh, entlasten ...“ (Wolfgang Clement) – „Bei einem guten Klima in unserer Koalition, wo wir pfleglich miteinander untergehen...“ (Bundeskanzler Helmut Kohl) - „Hilfreich ist die Kenntnis der deutschen Strafe...“ (Klaus Kinkel) - „Wir wollen Mordmeldungen, äh, Wortmeldungen...“ (SPD-Vorsitzender Franz Müntefering) - „Ich bin als Sohn eines Opelarbeiters geboren.“ (Vorsitzende der hessischen SPD Andrea Ypsilanti) - „In der Realität gibt es das auch in Wirklichkeit.“ (Bundeskanzler Gerhard Schröder) - „Wir dürfen jetzt nicht den Sand in den Kopf stecken.“ (Lothar Matthäus)