Schlafen ist lebensnotwendig!
Lernen im Schlaf - Traum oder Wirklichkeit?
Pro Jahr schläft der Mensch 3000 von 8760 Stunden. Im Leben häufen sich diese ungenutzten Dämmerstunden auf 24 Jahre. Rund 30 Prozent der Lebenszeit verbringen wir abgeschirmt von der Außenwelt im Bett. Unsere Bewegungen sind auf ein Minimum reduziert, das Gehirn scheint abgeschaltet und die Gedanken gehen auf Tauchstation.Pro Jahr schläft der Mensch 3000 von 8760 Stunden. Im Leben häufen sich diese ungenutzten Dämmerstunden auf 24 Jahre. Rund 30 Prozent der Lebenszeit verbringen wir abgeschirmt von der Außenwelt im Bett. Unsere Bewegungen sind auf ein Minimum reduziert, das Gehirn scheint abgeschaltet und die Gedanken gehen auf Tauchstation.
Welch eine Verschwendung! Was hätte ich in dieser unproduktiven Zeit alles Sinnvolles tun können, fragen sich so manche Menschen! Arbeiten, Geld verdienen, das Leben genießen oder etwas völlig Verrücktes tun. Und tatsächlich, so manche Zeitgenossen leben nach der Devise: Schlafen kannst du, wenn du tot bist. Eine frühere Kollegin von mir hat das Schlafen jahrelang auf ein Minimum reduziert. Sie ist mit 32 Jahren gestorben.
Schlaf ist erholsam
Schlafmangel macht krank!
Verzicht auf das Schlafen ist keine gute Idee, denn gerade jene Menschen, deren Schlaf empfindlich gestört ist, klagen über Müdigkeit, Abgespanntheit und Konzentrationsschwächen. Fortwährender Schlafmangel erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Leistungs- und Lernfähigkeit nehmen ab. Etwa 20 Prozent in Deutschland sind von Schlafproblemen betroffen.
Die Gründe für diesen verbreiteten nächtlichen Wachzustand sind Schichtarbeit, Stress im Beruf sowie seelische Belastungen. Die Kunst, einfach einmal abzuschalten, beherrscht nicht jeder. Nächtliche Grübeleien, das Abarbeiten von Problemen und Konflikten behindern den Schlafprozess. Und wenn der Bettpartner vorsichtig fragt: „Schläfst du?“, dann wird die Antwort lauten: „Nein“. Denn wer schläft, kann diese Frage nicht bejahen. Unser Schlaf kann nur im Nachhinein beurteilt werden. Der Schlafzustand ist uns nicht bewusst, wenn wir schlummern.
Wer häufig zu wenig schläft, reagiert gereizt, nervös und kann sich schlecht konzentrieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht den Schlafmangel so zu kompensieren: »Ich habe eine Art Kamelkapazität, mit Schlaf umzugehen. Ich kann über eine gewisse Zeit, fünf oder sechs Tage lang, mit wirklich sehr wenig Schlaf auskommen. Dann brauche ich aber auch wieder einen Tag, an dem ich ausschlafe, zehn, zwölf Stunden«, äußert die ehemalige Kanzlerin in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 8. Dezember 2019.
Häufig wird der Schlafmangel mit Medikamenten bekämpft. Wer über einen längeren Zeitraum zu Schlaftabletten greift, riskiert, so belegen zahlreiche Studien, dass Depressionen auftreten. Vor allem wird die Schlafarchitektur und somit die natürliche Abfolge verschiedener Schlafstadien zerstört.
Wer wach sein will, muss schlafen.
Wozu schlafen wir?
Schlaf ist eine Wunderpille
Haben Sie in den vergangenen Nächten gut geschlafen? Falls ja, freuen Sie sich, denn ein zufrieden stellender Schlaf ist erholsam, die Akkus sind aufgeladen und ein gelungener Schlafprozess wirkt lebensverlängernd.
Das individuelle Schlafbedürfnis der Menschen ist unterschiedlich. Häufig werden Eulen und Lerchen voneinander unterschieden. „Eulen“ bevorzugen, spät ins Bett zu gehen und morgens länger zu schlafen. Die „Lerchen“ hingegen steigen frühzeitig ins Schlafgemach und sind morgens sehr früh wach. Niemand ist von Geburt an Früh- oder Spätschläfer. Vielmehr ist der individuelle Schlafrhythmus veränderbar und von den Lebensumständen abhängig. Das elektrische Licht ist eine bedeutsame Erfindung des Menschen. In früheren Zeiten gingen gezwungenermaßen die Menschen mit Einbruch der Dunkelheit ins Bett, heute können wir jederzeit auf die Matratze sinken.
»Schlaf ist eine Art Wunderpille der Natur für die Gesundheit unseres Geistes und Körpers«, drückt es Dr. Dominik Heib (Universität Salzburg) aus, »kostenlos und ohne Nebenwirkungen, täglich ausreichend einzunehmen. Und für diese Medizin brauchen Sie nicht Ihren Arzt oder Apotheker fragen«.
Wozu schlafen wir? „Schlaf ist Schwerstarbeit“, sagt Dieter Kunz, Leiter der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin am St. Hedwig-Krankenhaus Berlin. Schlaf schützt neu gelernte Gedächtniseinträge davor, überschrieben zu werden. Während wir schlafen, vergessen wir weniger oder langsamer als im Wachzustand. Schlaf wirkt also dem Vergessen entgegen. Die nächtliche Ruhezeit bereitet unser Gedächtnis optimal auf die neuen Lernvorgänge am nächsten Tag vor. Sicherlich kennen Sie die Situation, dass erkrankte Menschen viel Schlaf benötigen. Warum? Der nächtliche Trip spielt eine wichtige Rolle für unser Immunsystem. Im Schlaf werden Infektionen und Krankheiten bekämpft. Sind wir krank, schlafen wir besonders viel, um die „Angreifer“ wirksam zu bekämpfen.
Nächtliche Wartungsarbeiten im Gehirn: Im Schlaf entsorgt unser Gehirn schädliche Stoffwechselprodukte und molekularen Abfall. Dieser „Putzfimmel“ ist notwendig, damit die Aufnahme neuer Informationen im Wachzustand schneller und effektiver erfolgen kann. Das molekulare Gerümpel und der Synapsenmüll, die sich in den Körperzellen angesammelt haben, werden entfernt oder einer erneuten Wiederverwendung zugeführt.
Neurowissenschaftler haben zahlreiche Belege dafür gefunden, dass unser Gehirn auch in der Lage ist, vorhersehbare Regeln, Prinzipien oder Abläufe abzuspeichern. Die Untersuchung eines Forscherteams um Nicolas Lutz in Tübingen zeigt, dass Schlaf zur Bildung und Festigung von prognostizierten Geschehnissen (Regeln, Modelle, Prinzipien) verantwortlich ist. »Die Bildung interner Modelle, die Regeln in den äußeren Geschehnissen finden und entsprechend abbilden, erleichtert es uns, unerwartete Ereignisse zu registrieren und aus ihnen zu lernen«, so Nicolas Lutz. Weiter heißt es: »Unsere Umwelt unterliegt einem stetigen Wandel. Um uns schnell zurechtzufinden, brauchen wir effiziente interne Modelle, die komplexe Regelmäßigkeiten abbilden und gleichzeitig die Flut der auf uns einwirkenden Reize sinnvoll vereinfachen.«
Den Toren packt die Reisewut, indes im Bett der Weise ruht!
Schlafen Sie sich schlau!
Schlaf ist für das Lernen sehr wichtig, weil das Gehirn zahlreiche regenerative Prozesse aktiviert. Die nächtliche Reise schützt das Gedächtnis davor, überschrieben zu werden, wirkt dem Vergessen entgegen und bereitet unser Oberstübchen auf die Lernvorgänge am nächsten Tag vor. Vor allem relevante und mit positiven Emotionen verknüpfte Lerninhalte werden im Schlaf gefestigt.
Unser Denkorgan ist eine ständige Baustelle, welche vor allem während der lichtarmen Ruhephasen aktiv wird. Wir können das vergleichen mit den Reparaturen auf Straßen, wenn auf einem Autobahnabschnitt nachts gearbeitet wird, damit tags darauf der Verkehr fließen kann. Damit wir weiterhin unseren Denkapparat vorteilhaft nutzen können, müssen auch bestimmte Gehirnzellen repariert werden. Zellerneuerung und Zellreparatur sind wichtig für Lernen und Erinnern. Relevante und insbesondere emotional positiv besetzte Erinnerungen werden im Schlaf gefestigt, unwichtige Informationen eher gelöscht.
Möglicherweise hat Ihnen jemand einmal den vielleicht nicht ernst gemeinten Rat gegeben, vor einer wichtigen Prüfung das Lehrbuch unter das Kopfkissen zu legen, damit der Lernstoff ins Gehirn gelangt. Falls Sie diesem Tipp gefolgt sind, werden Sie am Morgen danach enttäuscht bemerkt haben, dass das Buch unter dem Kissen Sie nicht schlauer gemacht hat. Dennoch weist der Ratschlag in eine richtige Richtung, denn auch wenn wir schlafen, ist unser Gehirn aktiv. Schlafen macht schlau!
»In unserer schnelllebigen Zeit«, so die Neurologin und Schlafforscherin Dr. Anna Heidbreder, »nimmt man sich für viele Dinge Zeit, aber der Schlaf ist nicht mehr so richtig eingeplant und wird häufig verkannt als eine Phase der Untätigkeit – was er natürlich überhaupt gar nicht ist. Schlaf dient nicht nur der mentalen Erholung, sondern er ist entscheidend, damit wir Lerninhalte und Erlebnisse ins Gedächtnis ablegen.«
Na dann: Gute Nacht! Lernen Sie gut!